Der Durchbruch

Blick nach Europa
Écrit par Andreas Rieger

Mindestlöhne in der EU

Soziale Reformansätze in der Europäischen Union: Wir berichten hier seit Jahren darüber. Zum Beispiel über den Sozialgipfel der EU in Göteborg, der 2017 stattfand. Er proklamierte die «Säule sozialer Rechte». Nichts als warme Luft, dachten damals viele. Aber der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) beschloss, die Politik beim Wort zu nehmen. Der nächste Sozialgipfel fand dann 2021 statt, im portugiesischen Porto. Und verabschiedete einen Aktionsplan zur Umsetzung dieser Sozial-Säule.

Nichts als warme Luft, meinte diesmal die misstrauische kommunistische Partei Portugals. Dies, obwohl schon einige Entwürfe für neue Gesetze vorlagen. Und der EGB auf Hochtouren dafür  lobbyierte. Im Dezember 2021 mauserte sich schliesslich die geplante Richtlinie zu Mindestlöhnen und Kollektivverhandlungen zur wichtigsten neuen Vorlage, zum Entscheidungsspiel. Hier geht es nicht nur um einzelne Massnahmen, wie etwa den bezahlten Vaterschaftsurlaub oder mehr Schutz für die Plattform-Arbeitenden. Es geht um Grundsätzliches. Um die Aushandlung von Löhnen und Arbeitsbedingungen.

24 Millionen profitieren

Jetzt ist endlich entschieden – und die Penalties sind versenkt. Das Resultat ist besser, als selbst Optimisten zu hoffen wagten: Die EU macht Vorgaben für all jene Länder, die gesetzliche Mindestlöhne kennen. Sie müssen diese auf 60 Prozent des Medianlohnes (die eine Hälfte liegt darüber, die andere darunter) heben. Und sie sollen für alle Branchen gelten. Bei einer schnellen Umsetzung würden so 24 Millionen Lohnabhängige substantielle Lohnerhöhungen erhalten. 5 Millionen Menschen allein in Rumänien, 4 Millionen in Italien! Neu will die Richtlinie in allen Ländern auch die Kollektivverträge fördern. Sie müssen mit Gewerkschaften und nicht mit Pseudovertretungen ausgehandelt werden. Zudem dürfen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter wegen ihrer Aktivitäten nicht diskriminiert werden. Und GAV müssen eingehalten werden, wozu es Kontrollen und abschreckende Sanktionen braucht. In Ländern, wo weniger als 80 Prozent der Lohnabhängigen einem GAV unterstehen,  müssen Aktionspläne zur GAV-Förderung erstellt werden. Zum Beispiel bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionierungen.

Fazit

Das alles ist für die Gewerkschaften wie Weihnachten und Geburtstag zugleich. Wann wird der Bundesrat der EU folgen?

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